Der Blick von Außen ist wichtig und sinnvoll

Der Kläger war Eigentümer einer Frostanlage für die Produktion von tiefgekühlten Lebensmitteln. Dabei werden die Produkte auf ein endloses, im Kreis laufendes Kurvenband gelegt und dabei durch einen Kühltunnel gezogen.
Die Beklagte wurde beauftragt, das Kurvenband der Frostanlage zu tauschen und durch ein originales Kurvenband zu ersetzten. Tatsächlich baute die Beklagte aber ein (günstigeres) Kurvenband eines anderen Herstellers ein.

Nachdem der Kühltunnel mit den günstigeren Kurvenband in Betrieb ging, kam es an diesem immer wieder zu Schäden. Das Drahtgeflecht brach an verschiedenen Stellen. Der Kläger sah eine mindere Qualität des Kurvenbandes als Schadensursache an und zog vor Gericht.
Während des Streits wurde ich vom Gericht beauftragt, bezüglich des Kurvenbandes zu ermitteln.

Bei dem Ortstermin konnten die Schäden an dem Kurvenband bestätigt werden. Über die gesamte Länge des Kurvenbandes waren Drähte des Drahtgeflechts gebrochen. Teilweise konnten im Kurvenband auch Löcher ermittelt werden (siehe Bild 1).

Bild 1: Vereistes Kurvenband mit Beschädigung

Auffällig war jedoch, dass die Schäden ausschließlich in einer Linie, an dem (in Laufrichtung) rechten Rand waren.

Ein solches Schadensbild kann aber nicht alleine aufgrund einer schlechten Kurven-bandqualität entstanden sein, da in diesem Falle eine Verteilung von Schäden über das ganze Band zu erwarten gewesen wäre. Deshalb folgte eine Untersuchung der mechanischen Gegebenheiten.

Im vorliegenden Fall verfügte die Frostanlage über einen mechanischen Kurvenbandspanner. Bild 2 zeigt eine Skizze des Kurvenbandspanners.

Bild 2: Skizze des Kurvenbandspanners

Das Kurvenband besteht aus einem Drahtgeflecht (gelb), an dessen zwei Rändern sich jeweils eine Zahnradkette (orange) befindet. Zwischen zwei parallelen Rollen wird das Kurvenband mittels eines Gewichts (grün) mit zwei Zahnrädern (blau) nach unten gezogen und somit gespannt.
Eine Untersuchung des Kurvenbandspanners ergab einen Montagefehler. Nur ein Zahnrad des Gewichts lief in der dafür vorgesehenen Zahnradkette. Das zweite Zahnrad war in Richtung des Drahtgeflechts verschoben und beschädigte im Laufe der Zeit das Kurvenband (siehe Bild 3).

Bild 3: Das falsch montierte Zahnrad beschädigt das Kurvenband


Bild vier zeigt den Kurvenbandspanner von unten. Deutlich kann man erkennen, wie die Zähne des Zahnrads das Drahtgeflecht durchstoßen haben.

 
Bild 4: Kurvenbandspanner von unten

Durch das Versetzen des Zahnrads in die entsprechende Zahnradkette, konnten weitere Schäden umgehend verhindert und die Produktion, außerhalb des eigentlichen Rechtsstreits, vorübergehend gesichert werden.

Im Gegensatz zu mir als Außenstehenden, war es dem Kläger offensichtlich nicht möglich, den Sachverhalt unbefangen zu überdenken, da der Kläger, nachdem die Beklagte ein günstigeres Kurvenband eingebaut hatte, sicher war, dass dieses Kurvenband auch eine schlechtere Qualität haben muss und den Produktionsbe-lastungen nicht standhalten kann. Durch diese vorgefertigte Meinung war der Kläger emotional geblendet und sah „den Wald vor lauter Bäumen nicht“.
Vergleichbar sagt man im Volksmund schließlich nicht umsonst „blind vor Wut“.